Mittwoch, 28. Dezember 2016

Mein treuer Freund

Kahl geworden ist er. So richtig toll sieht er auch nicht mehr aus. Kein Wunder, ich habe mich zu wenig um ihn gekümmert. Und er hat ja schon ein paar Jahre auf dem Buckel.
Ein bisschen Zuwendung, wenn es mir gerade passte. Oder wenn ich sah, dass es ihm so schlecht ging, dass er sich verabschieden würde, wenn ich nicht etwas für ihn tue.
Aber er ist zäh, hält durch, bleibt da, egal ob ich ihn beachte oder nicht.
Dabei mag ich ihn wirklich gerne. Doch, wirklich! Ich habe ein schlechtes Gewissen, obwohl das überflüssig ist. Ich hatte lange Zeit gerade genug Kraft für mich, da war einfach keine Kraft mehr für ihn übrig.
Jetzt geht es ihm besser, ich habe mich endlich um ihn gekümmert. Ich habe alles vertrocknete und verwelkte abgeschnitten und einige Wurzeln herausgezogen, die nicht tief genug in der Erde steckten. Ich habe ihn herausgeholt aus dem zu kleinen Topf, ihm gute neue Erde und mehr Platz zum Wurzeln gegeben. Er hat wieder Luft zum Atmen und dankt es mir mit neuen Trieben.

Mein treuer Freund, der Farn.


Freitag, 2. Dezember 2016

Sich beschweren

Sich beschweren
welch merkwürdiges Wort

Eigentlich will man ja
Ärger loswerden

Und sich erleichtern.

Dienstag, 29. November 2016

Trotz

Erhaben wie eine Burg
Hoch auf dem Felsen
Unerreichbar

Sich einmauern
Dem Feind trotzen
Die Welt aussperren

Und dabei selbst
verhungern.

Böse Gedanken

rausrotzen
Galle spucken
sich auskotzen
Feuer speien
Stinkefinger zeigen

Scheiß die Wand an,
tut das gut.

Omm.

Hineini

Entspannt euch
steht auf dem weissen Mauerstück
gegenüber.

Der Blick geht weit
durch die großen Fenster
hinaus auf die breite Straße.

Draußen
wartet das Leben auf mich.
Ich komme.



*hineini (hebr.): Ich bin bereit.

Samstag, 26. November 2016

November

Ausdruckslose Gesichter
Müde Augen.

Die Körper sind schwach geworden
Der Geist ist schon vor langer Zeit eingeschlafen.  

Langeweile wabert durch den Raum
und wird mit Eis und Torte erstickt. 

Die Uhr tickt laut,
der Zeiger schleicht voran.

Reden über Krankheiten
Weil es sonst nichts mehr zu erzählen gibt.

Das einzig belebende ist der
frische Wind von der Terrasse.

Das Leben findet woanders statt.

Mittwoch, 14. September 2016

nur für uns

irgendwo auf dem land
nur ein paar häuser, schafe
und abgeerntete felder

gar nicht weit weg von zu hause
das wetter durchwachsen
keine besonderen erlebnisse

tage, an denen wir kaum das dorf verlassen
der sonne auf ihrem weg zuschauen
und die wolken beobachten

rückzug von der welt
stilles glück

einfach nur für uns


(August 2016)

Dienstag, 23. August 2016

Das geheime Leben der Schafe

Das Schaf ist dumm, sagt man gemein
Dem ist nicht so, es ist geheim:
Das Schaf liebt Kunst und singt sehr gut
Doch oft fehlt ihm dazu der Mut
Drum singt es nur auf eine Weise
Und die ist ganz besonders leise.


© Enno & Silke


Und hier noch eine Antwort von Beatrice Adore:

Dem kleinen Schäfchen ist nicht bang,
es übt sich täglich im Gesang;
laut und lauter wird es bald,
schallend durch den ganzen Wald;
will es doch als Schaf ganz groß
erklingen in allen Radios!

© Beatrice Adore

 PS: In den Kommentaren gibt es noch eine Fortsetzung :-)

Donnerstag, 7. April 2016

Un-Glück

Ist das
nicht einfach
nur die andere Seite
vom Glück?

Wie zwei Seiten
einer Medaille
die zusammen
gehören
untrennbar


Mal
die eine Seite.
Mal
die andere Seite.

Man sieht es
von hinten nicht.
Aber
beides ist Glück

Montag, 21. März 2016

Meine Frisörin

Wenn man im Stuhl sitzt
wirkt sie sehr groß
Dabei ist sie es gar nicht

Wenn man sie anschaut
könnte man sich vor ihren Tatttoos fürchten
aber das muss man gar nicht

Wenn man mit ihr redet
dann ist da Humor
und Tiefe

Wenn man sie umarmt
ist der erste Eindruck Stärke
und der zweite ist dann Wärme

Und wenn man dann 
die Augen schließt
dann
sieht man das große Herz in ihr.

(März 2016)

Dienstag, 15. März 2016

Abschied

Schwerer Himmel
Wassertropfen prasseln auf den Asphalt
werden zu Bächen
verschwinden im Untergrund.
Und als wäre es nicht genug
hagelt es auch noch.

Drinnen steht die Zeit still.
Graue Wände, kalter Boden.
Leere Worte.
Draußen hört es auf zu regnen.
Die Luft ist dumpf.

Die Welt öffnet sich.
Mit jedem Schritt
mehr Blau
mehr Licht
mehr Raum

Kleinste Wassertröpfchen fliegen
von den Tannenzweigen durch die Luft
vom Wind getragen
wie glitzernde Funken
Der Himmel öffnet sich
in unendliche Höhen
während ich eine Sonnenblume
auf die frisch aufgeworfene Erde lege.

(Juli 2014)
 

Sonntag, 10. Januar 2016

Monsun

Wolken jagen über den Himmel hinweg. Sie sind grau und machtvoll. Der Wind treibt sie hinweg, als wolle er sie verjagen. Doch es kommen immer neue Wolken hinterher. Sie verändern ihre Form, vereinigen sich, werden gemeinsam größer. Doch ihre Last entladen sie nicht. Der Blick schweift über die Landschaft, sanfte Berge am Horizont, davor nur karges Land mit trockener, rotbrauner Erde. Ein paar trockene Bäume stehen umher, und die Monotonie der Erde wird durchbrochen von einigen Büschen, die der Hitze trotzen.
Die Luft steht unter Spannung. Es ist heiß, die Haut sehnt sich nach Abkühlung, doch der Geist erschreckt vor der ungeheuren Macht der Gewitterwolken, die sich nicht entscheiden können. Ab und an fallen ein paar Tropfen und es scheint, als ginge es jetzt los. Doch noch ehe die auf den Boden gefallenen Wasserlinge verdunsten könnten, ziehen sich ihre Geschwister zurück.

Trotz des Windes in der Höhe herrscht atemlose Stille. Gebete, nur im Innern gesprochen, schrauben sich empor, sollen den Geist des Regens animieren, sich hier auf dieses Erdenstück herab zu lassen und dem trockenen Boden wieder Leben einzuhauchen. Gedanken schweifen zurück an die alte Zeit. Auch sie war nicht immer leicht, doch es gab nicht so lange trockene Zyklen wie in den letzten Jahren. Müssen die Menschen bald ihre Heimat verlassen? Dem Wasser folgen, dorthin, wo es noch zu bekommen ist? Aufgeben, was sie seit Generationen bestellt haben, wo die Ahnen zur Welt gekommen sind, und wo ihre Gebeine in der trockenen Erde verweilen und auf ihre Nachgeborenen warten, um sie wieder in die Arme schließen zu können?
Vielleicht wird es ja doch wieder besser. Vielleicht kommt der Regen ja doch wieder hierher auf dieses gesegnete Land. Zumindest war es das einmal. Ist es jetzt verdammt? Niemand weiß es. Auch nicht, warum der Regen nicht mehr herkommen mag. Warum er es vorzieht, vorbeizuziehen, andere Länder und Menschen zu beglücken.
Hoffnung und Unsicherheit beherrschen die Gedanken. Fragen nach dem Wohin, Fragen nach dem Zeitpunkt der Hoffnungslosigkeit und der damit verbundenen Entscheidung. Es gibt keine Gespräche mehr, was soll man schon besprechen? Lähmung macht sich breit. Sprachlosigkeit.
Die Tage verschwinden im Nichts, geprägt von der möglichen Sinnlosigkeit des Tuns. Nachts wirre Träume von verdursteten Tieren, weinenden Kindern und gebrochenen Augen der anderen. Die Entscheidung fällt dann einfach so. Es ist Zeit zu gehen. Nur zwei Tage noch, um alles zu packen und sich zu verabschieden von denen, die noch ausharren werden. Die Gedanken werden ruhiger, die Zweifel verschwinden, neue Hoffnung keimt auf.
In der Nacht bricht der Regen herab. Donnernd und tosend entlädt sich der Himmel, gibt, was er zu geben hat. Rauschend wäscht er den Staub von den Blättern, den Häusern, bringt den  Boden erst zum Stauben, bevor das Wasser ihn nach und nach zu einem glitschigen Morast verwandelt. Der Monsun ist da. Kein Grund mehr  zu gehen. Zumindest dieses Jahr....


*Inspiriert von einer Dokumentation über den Monsun in Indien*